Gesichter der Klimademokratie
Demokratie bedeutet nicht nur, alle vier Jahre wählen zu gehen. Vielmehr gibt es viele unterschiedliche Möglichkeiten, sich demokratisch zu engagieren und fürs Klima stark zu machen. Wir haben neun Menschen getroffen und sie gefragt, was sie motiviert, wie sie sich für Klimaschutz einsetzen, welche Entwicklungen sie beobachten und was es braucht, damit wir in unserer Demokratie wirksam die Klimakrise bekämpfen können. Ihre Antworten findet ihr in dieser Bilderstrecke.
Caroline Fischer

Caroline ist ehrenamtlich beim Münchner Klimarat aktiv, einem Gremium aus Verwaltung, Stadtrat, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft, das zu grundlegeden Entscheidungen der Stadt in Sachen Klimaschutz Stellung nimmt.
Welche Rolle spielt dein Wirken im Umgang mit der Klimakrise?
Im Klimarat nehmen wir aktiv Einfluss auf Entscheidungen, indem wir im Dialog mit Politik, Verwaltung und der Stadtgesellschaft stehen. Wir bringen Fachwissen ein, hinterfragen Pläne kritisch und machen auf gegebenenfalls übersehene Aspekte aufmerksam. Uns geht es darum, dass Klimaschutz und Klimaanpassung immer mitgedacht werden – als Grundpfeiler für jede wichtige Entscheidung.
Wie beobachtest oder begleitest du demokratische Aushandlungsprozesse im Klimakontext?
Im Klimarat treffen wir uns alle zwei Monate, um aktuelle Themen zu besprechen und anstehende Entscheidungen zu bewerten. Wir bringen uns konstruktiv ein im Austausch mit Stadt, Politik und Gesellschaft und setzen uns dafür ein, dass Entscheidungen transparent, nachvollziehbar und gut informiert getroffen werden.
Was braucht es deiner Meinung nach, damit wir in der Demokratie wirksam die Klimakrise bekämpfen können?
Politik bewegt sich, wenn sie gesellschaftliche Rückendeckung spürt. Deshalb ist es wichtig, dass wir laut werden. Als Klimarat ist es unsere Aufgabe, den Dialog zwischen Öffentlichkeit, Wissenschaft, Politik und Verwaltung zu stärken, damit Klimaschutzthemen Gehör finden und gemeinsam vorangebracht werden können.
Lücke Recktenwald

Lüke hat gemeinsam mit vielen anderen vor dem Bundesverfassungsgericht für mehr Klimaschutz geklagt und betreibt mit seiner Familie eine bio-zertifizierte Gastronomie auf Langeoog.
Was motiviert dich, dich für Klimschutz und Mitbestimmung einzusetzen?
Ich denke, dass der Anstoß dazu, einerseits durch meine schon immer umweltpolitisch sehr engagierte Familie kam und zum anderen dadurch, dass gerade bei uns auf der Insel die Natur, die Veränderungen und ihre Auswirkungen immer präsent sind.
Wo und wie engagierst du dich konkret?
Konkret engagiere ich mich einerseits über die Klimaklage, zum anderen beruflich, da wir seit diesem Jahr eine neue Gastronomie auf der Insel eröffnet haben, in der wir ausschließlich Bio-zertifizierte Lebensmittel aus der Region verwenden.
Was braucht es deiner Meinung nach, damit wir in der Demokratie wirksam die Klimakrise bekämpfen können?
Es braucht einerseits eine vernünftige Wahrnehmung dieser Themen, sowie Kompromissbereitschaft auch auf Menschen mit anderen Meinungen zuzugehen und einen gemeinsamen Konsens zu finden.
Helena Geißler

Helena arbeitet als Klimaschutzreferentin beim Netzwerk Klimaherbst, wo sie mit ihrer Arbeit andere Organisationen und Initiativen bei ihrem Kampf gegen die Klimakrise und für Klimagerechtigkeit stärkt.
Welche Rolle spielt deine Arbeit im Umgang mit der Klimakrise?
Als Klimaschutzereferentin beim Netzwerk Klimaherbst setze ich mich täglich mit der Klimakrise auseinander und versuche durch meine Arbeit andere Organisationen und Initiativen bei ihrem Kampf gegen die Klimakrise und für Klimagerechtigkeit zu stärken.
Wie beobachtest oder begleitest du demokratische Aushandlungsprozesse im Klimakontext?
Aktuell ist die (ver-)öffentlichte Meinung und die öffentliche Debatte in Bezug auf die Klimakrise leider vielmals von Polarisierung, Vereinfachung und teilweise auch Unwahrheiten geprägt. Dies spiegelt sich auch in politischen Prozessen wider, in denen Themen wie Soziales, Wirtschaft oder Verteidigung gegen Klimathemen ausgespielt werden. Was wir brauchen, ist aber eine
langfristige Perspektive.
Was braucht es deiner Meinung nach, damit wir in der Demokratie wirksam die Klimakrise bekämpfen können?
Es braucht dringend mehr echten Dialog – ich bin überzeugt davon, dass wir als Gesellschaft einen guten Weg zu mehr Klimagerechtigkeit finden, wenn wir anfangen einander zuzuhören und gemeinsam über Lösungen nachzudenken, anstatt uns gegenseitig unsere jeweiligen Meinungen vorzutragen und gegeneinander zu arbeiten. Dafür müsste es mehr Formate wie Bürger:innenräte und ähnliches geben (und deren Ergebnisse auch ernst genommen werden).
Levent Aşkar

Levent ist Geschäftsführer bei »Migration macht Gesellschaft«, wo er regelmäßig mit Menschen, die von der Klimkrisebetroffen sind, zusammenarbeitet. Der Verein setzt sich für eine inklusive(re) Stadtgeselschaft ein, in der es allen Münchner:innen möglich ist, am gesellschaftlichen Leben gleichberechtigt tigt teilzuhaben.
Welche Rolle spielt deine Arbeit im Umgang mit der Klimakrise?
In meiner Tätigkeit stehen die Förderung von Menschenrechten, globale Gerechtigkeit und die Arbeit mit Menschen, die u.a. auch von der Klimakrise betroffen sind, in engem Zusammenhang. Die Folgen der Klimakrise treffen Menschen weltweit sehr ungleich – vor allem jene, die am wenigsten dazu beigetragen haben. Auch der Zugang zu Schutzmaßnahmen ist ungleich verteilt, deshalb braucht es mehr Einsatz aus privilegierten Positionen für eine gerechtere Zukunft für alle. Mit diesem Menschen arbeite ich.
Wie beobachtest oder begleitest du demokratische Aushandlungsprozesse im Klimakontext?
Demokratische Aushandlungsprozesse im Klimakontext verlaufen oft ungleich, weil viele Stimmen – insbesondere von Menschen aus dem Globalen Süden oder auf der Flucht – nicht gehört oder einbezogen werden. In meiner Arbeit erlebe ich, wie privilegierte Gesellschaften zögern, Verantwortung abzugeben oder ihren Lebensstil zu hinterfragen. Damit echte Teilhabe möglich wird, müssen Entscheidungsprozesse unabhängiger von finanziellen und geopolitischen Machtstrukturen gestaltet werden. Vor allem müssen sich ALLE verbindlich an diese Entscheidungsstrukturen halten.langfristige Perspektive.
Was braucht es deiner Meinung nach, damit wir in der Demokratie wirksam die Klimakrise bekämpfen können?
Um die Klimakrise demokratisch und wirksam zu bekämpfen, braucht es globale Gerechtigkeit, faire Verteilung von Ressourcen und die Einbindung marginalisierter Perspektiven. Oft wird das Wissen von Menschen mit Migrations-, und Fluchtbiografien zum Klimawandel und/oder der Klimakrise ignoriert. Hier braucht es eine differenziertere Ansicht von diesen Erfahrungen, um diese als Ressourcen nutzen zu können. Außerdem müssen bestehenden Privilegien hinterfragt und Machtverhältnisse aktiv ausgeglichen werden, damit echte Teilhabe möglich ist.
Nicola Holtmann

Nicola ist ehrenamtliche Münchner Stadträtin und umweltpolitische Sprecherin ihrer Fraktion.
Welche Rolle spielt dein Wirken im Umgang mit der Klimakrise?
Als Stadträtin in der Opposition versuche ich, die Dringlichkeit des Themas bewusst zu machen und Entscheidungen des Stadtrats für mehr Klimaschutz zu ermöglichen. Wenn konstruktive Zusammenarbeit nicht funktioniert, benennen wir als Fraktion aber auch die Fehlentwicklungen und versuchen, über Öffentlichkeits- und Pressearbeit an der Meinungsbildung mitzuwirken.
Wie beobachtest oder begleitest du demokratische Aushandlungsprozesse im Klimakontext?
Auf kommunaler Ebene bin ich ja mittendrin. Die Aushandlung passiert meist in den Fachausschüssen des Stadtrats bzw. in Vorbereitung darauf. Dort versuche ich z.B. mit Änderungsanträgen die Beschlussvorlagen, die die Verwaltung vorbereitet, zu korrigieren oder zu verbessern. Außerdem können wir aus der Opposition heraus neue Ideen, Themen und Vorschläge per Antrag ins Rathaus einbringen.
Was braucht es deiner Meinung nach, damit wir in der Demokratie wirksam die Klimakrise bekämpfen können?
Die Entscheidungsträger:innen dürfen sich nicht so stark von Lobbyisten beeinflussen lassen und die sozialen Auswirkungen von Klimabeschlüssen müssen immer mitgedacht werden. Das Verursacherprinzip muss stärker zur Geltung kommen, so braucht es endlich das Klimageld auf Bundesebene. Und nicht zuletzt müssen wir mehr darüber reden, dass es auf einem begrenzten Planeten kein unendliches Wachstum geben kann.
Holger Quick

Holger ist ehrenamtlich beim Radentscheid München aktiv und setzt sich dort aktiv für den Umbau unserer Straßen ein, mit mehr Bäumen, Platz und schönen Stellen zum Verweilen.
Was motiviert dich, dich für Klimaschutz und Mitbestimmung einzusetzen?
Ich lebe gerne in München, unserer Stadt und in unserem schönen Land und fühle mich als Teil dessen, was mich umgibt. Darum setze ich mich dafür ein, dass unsere Stadt nicht nur kurzfristig zu einem schöneren Lebensraum wird, sondern dass wir in dieser Stadt auch in Zukunft und mit spürbarem Klimawandel weiterhin gerne leben werden.
Wie beobachtest oder begleitest du demokratische Aushandlungsprozesse im Klimakontext?
Die Gestaltung unseres Straßenraums und die Art wie wir alle uns dort bewegen ist für mich ein zentrales Thema für eine l(i)ebenswerte Stadt. Darum engagiere ich mich im Radentscheid-München aktiv für den Umbau unserer Straßen mit mehr schattenspendenden Bäumen, mit mehr Platz, um ungehindert zu Fuß zu gehen und mehr schönen Stellen zum Verweilen und um mit anderen Menschen zusammenzukommen. Das geht erfreulicher Weise Hand in Hand mit weniger Autoabgasen, weniger Lärm und mit weniger privaten Kfz, die uns im öffentlichen Raum geparkt Platz wegnehmen und die Sicht auf unsere schöne Stadt verstellen!
Was braucht es deiner Meinung nach, damit wir in der Demokratie wirksam die Klimakrise bekämpfen können?
Aus meiner Sicht ist es nicht „die Politik“, die unsere Welt gestaltet, sondern es sind wir, die unzähligen Einzelnen, die den gewählten Politiker*innen klar vorgeben müssen, was uns wichtig ist und wie wir unsere Welt, unsere Stadt haben wollen. Unsere Demokratie, die ich trotz ihrer Mängeln für ein einzigartiges Geschenk halte, bietet uns allen – mit ein wenig Engagement – zahlreiche Möglichkeiten unsere Stadt aktiv zu gestalten und erlebbar zum Besseren zu verändern.
Jana Häfner

Jana ist bei Fridays for Future München aktiv, wo sie Demos organisiert und Öffentlichkeitsarbeit macht.
Was motiviert dich, dich für Klimaschutz und Mitbestimmung einzusetzen?
Ich will nicht zusehen, wie unsere Zukunft aufs Spiel gesetzt wird – vor allem, wenn die Lösungen längst auf dem Tisch liegen. Klimaschutz ist für mich auch eine Frage der Gerechtigkeit: zwischen Generationen, Ländern und sozialen Gruppen.
Wo und wie engagierst du dich konkret?
Ich bin bei Fridays for Future München aktiv, organisiere Demos, arbeite in der Orga und mache Öffentlichkeitsarbeit. Wir schaffen Räume, in denen junge Stimmen sichtbar und hörbar werden.
Was braucht es deiner Meinung nach, damit wir in der Demokratie wirksam die Klimakrise bekämpfen können?
Wir brauchen mehr Mut, echte Mitbestimmung und klare politische Entscheidungen, die sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren – nicht an kurzfristigen Interessen. Demokratie heißt auch: gemeinsam Verantwortung übernehmen. Und wir brauchen Druck von der Straße – denn ohne gesellschaftlichen Widerstand bewegt sich zu wenig.
Alfred Köhler

Alfred ist im Betriebsrat der Münchner Verkehrsgesellschaft und setzt sich als Mitglied von ver.di für bessere Arbeitsbedingungen im ÖPNV und nachhaltigen Verkehr ein.
Welche Rolle spielt dein Wirken im Umgang mit der Klimakrise?
Jede Verbesserung im öffentlichen Nahverkehr ist ein Gewinn für unser Klima – ganz gleich, ob der Individualverkehr elektrisch oder fossil unterwegs ist. Doch hinter einem funktionierenden ÖPNV stehen Menschen, die täglich ihr Bestes geben. Für ihre Arbeitsbedingungen setze ich mich mit ganzem Herzen ein – beruflich als freigestellter Betriebsrat und mit voller Überzeugung ehrenamtlich bei ver.di.
Wie beobachtest oder begleitest du demokratische Aushandlungsprozesse im Klimakontext?
Die Zusammenarbeit von ver.di und Fridays for Future beim Thema Klima und Nahverkehr hat gezeigt, wie viel Kraft in echtem Austausch steckt – auch wenn es zunächst Skepsis gab. Mich berührt, wie viele junge Menschen dadurch Interesse an Gewerkschaften und fairen Arbeitsbedingungen entwickelt haben. Gleichzeitig durften wir erleben, mit wie viel Mut, Kreativität und Energie sie sich für eine bessere Zukunft organisieren.
Was braucht es deiner Meinung nach, damit wir in der Demokratie wirksam die Klimakrise bekämpfen können?
Klimaschutz darf niemanden überfordern – wir müssen die Menschen mitnehmen, durch Austausch, Verständnis und echte Beteiligung. Veränderung gelingt nur gemeinsam, in starken Bündnissen mit Vereinen, Organisationen und NGOs. Dafür braucht es bezahlbare Technik, klare Regeln und endlich die nötigen Mittel – zum Beispiel für die Verkehrswende.
Jana Hohberger

Jana ist Vorständin beim Kartoffelkombinat, einer solidarischen Landwirtschaft, die zeigen möchte, dass ein anderes Wirtschaften möglich ist – gemeinschaftlich, nachhaltig und im Einklang mit den planetaren Grenzen.
Welche Rolle spielt dein Wirken im Umgang mit der Klimakrise?
Als solidarische Landwirtschaft setzen wir auf eine möglichst klimaresiliente, regionale und ökologische Lebensmittelproduktion jenseits industrieller Wertschöpfungsketten. Wir möchten zeigen, dass ein anderes Wirtschaften möglich ist – gemeinschaftlich, nachhaltig und im Einklang mit den planetaren Grenzen.
Wie beobachtest oder begleitest du demokratische Aushandlungsprozesse im Klimakontext?
Wir erleben, dass Klimaschutz oft auf gesellschaftliche Widerstände trifft, wenn er als Verzicht statt als Chance kommuniziert wird. Durch unser Mitmach-Modell schaffen wir konkrete Erfahrungsräume, in denen Mitglieder demokratische Prozesse und Klimagerechtigkeit aktiv mitgestalten können.
Was braucht es deiner Meinung nach, damit wir in der Demokratie wirksam die Klimakrise bekämpfen können?
Es braucht mutige politische Rahmenbedingungen, die klimafreundliches Handeln belohnen, sowie eine Kultur des Miteinanders, in der Menschen sich als (selbst)wirksam erleben. Bildungsarbeit, gelebte Alternativen und solidarische Strukturen wie das Kartoffelkombinat sind zentrale Bausteine für eine transformative Demokratie.